Da sich die finanzielle Lage – zumindest aktuell noch – bei den meisten in den kritischen Bereich verschiebt, kommen verschiedene Überlegungen auf: Was hat man zu bezahlen und was nicht? Was sollte man zuerst bezahlen, was kann warten?
Ein dicker Posten bei den Fixkosten wird bei den meisten die gewerbliche Miete sein. Welche Unterschiede es da gibt und was ihr dazu beachten solltet, wird im Folgenden erläutert.[1]
Die gewerbliche Miete
Habt ihr ein eigenes Studio, dann mietet ihr (soweit Ihr nicht Eigentümer Eurer Gewerbeimmobilie seid) Geschäftsräume. Geschäftsräume sind Räume, die im weitesten Sinne Erwerbszwecken dienen, worunter gewerbliche bzw. kaufmännische Zwecke ebenso zu fassen sind wie freiberufliche.[2] Vor dem Hintergrund der Corona-Krise und den angeordneten Schließungen von Tattoostudios, will man natürlich wissen, will man natürlich wissen, wer das Risiko dieser Betriebsunterbrechung trägt. Die allermeisten gewerblichen Mietverträge weisen betriebsbezogene Risiken und Einschränkungen dem Mieter zu. Es finden sich darin z.B. Klauseln, die ausdrücklich oder ähnlich anordnen, dass der Vermieter nur haftet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig dafür gesorgt hat, dass die Räume nicht genutzt werden können.
Aber auch ohne ausdrückliche Bestimmung geht die Rechtsprechung bei hoheitlich angeordneten Beschränkungen des Betriebs davon aus, dass diese grundsätzlich das Verwendungsrisiko des Mieters betreffen und nicht zu einem Mietmangel – und somit auch nicht zu Minderungsrechten o.ä. führen. Eine behördlich angeordnete Einschränkung bzw. Schließung des Betriebs ist daher regelmäßig kein zur Mietminderung berechtigender Mangel der Mietsache. Das gilt nach Auffassung der Gerichte auch dann, wenn durch eine betriebsbezogene Beschränkung der Betrieb des Mieters vorübergehend unmöglich wird.
Zusammengefasst
Und so liegt es hier: Tattoostudios sind geschlossen, die gewerbliche Nutzung, also das Tätowieren von Kunden, wurde dadurch unmöglich gemacht. Dennoch müsst ihr in aller Regel die Miete weiterzahlen, sofern keine entsprechende anderslautende Klausel in eurem Mietvertrag vereinbart wurde.
Die Hoffnung „Miet- und Nutzungszweck“
Habt ihr in Eurem Mietvertrag allerdings detailliert den beabsichtigten Miet- und Nutzungszweck vereinbart, könnte das ein Ausweg aus der Mietpreiszahlung sein (Betonung liegt auf „könnte“). In dem Fall verpflichtet sich der Vermieter dem Mieter, also Euch, ein Mietobjekt zu überlassen, das gerade für die vereinbarte Nutzung geeignet ist.
Kann der Mietzweck, also das Betreiben des Tattoostudios, infolge der behördlichen Anordnung nicht mehr erreicht werden, könnte hierin eine (vorübergehende) Unmöglichkeit der vermieterseitig geschuldeten Überlassung zu dem vereinbarten Zweck zu sehen sein. Gesetzliche Folge wäre zunächst, dass der Mieter von der Gegenleistung befreit wäre, also von der Zahlung Miete – und zwar für die gesamte Zeit der Unmöglichkeit. Wie die Risikoverteilung in diesem Fall während der Corona-Krise ist, kann jedoch aktuell nicht vollumfänglich beantwortet werden und es gilt, dies im Einzelfall überprüfen zu lassen. Vor allem ist auch hier zunächst auf die Regelungen in dem jeweiligen Mietvertrag zu achten.
Zusammengefasst
Falls ihr den Miet- und Nutzungszweck in eurem Mietvertrag festgelegt habt, könntet ihr von der Zahlung befreit sein. Dies kann aber nicht mit Sicherheit gesagt werden und bedarf einer Überprüfung.
Die Hoffnung „Störung der Geschäftsgrundlage“
Die Corona-Krise könnte ferner auch zu einer sog. „Störung der Geschäftsgrundlage“ gem. § 313 BGB führen. Die Rechtsfolgen der Rechtsnorm reichen von der Anpassung des Vertrages (d.h. insbesondere einer Mietreduzierung) bis zu einer Aufhebung des Mietvertrages, was etwa bei einer länger andauernden Krise in Frage kommen könnte.
Bei krisenähnlichen Zuständen hat die Rechtsprechung eine Störung der Geschäftsgrundlage angenommen. So könnte man bei der aktuellen Krise und deren Auswirkungen schon einige Anhaltspunkte finden, dass § 313 BGB greifen könnte. Wichtig ist dabei allerdings, dass Ihr nicht einfach die Mietzahlungen einstellen könnt. § 313 BGB regelt ein Gestaltungsrecht. Ihr müsst also eine Anpassung des Vertrags (welche z.B. in einem temporären Ausschluss von Zahlungspflichten liegen könnte) ausdrücklich verlangen.
Zusammengefasst
Es kann Hoffnung bestehen, dass durch die Corona-Krise eine Störung der Geschäftsgrundlage gegeben ist, aber auch das kann nicht pauschal gesagt werden, da zum einen die Rechtsprechung hierzu etwas dünn ist (so etwas wie SARS-CoV-2 hatten wir halt in der Form noch nie) und zum anderen natürlich auch erst einmal der Inhalt des jeweiligen Mietvertrags zu prüfen wäre.
Die „Stuhlmiete“
Ein beliebtes und verbreitetes Modell unter Tätowieren ist die sog. „Stuhlmiete“. Hier bekommt der selbstständige Tätowierer in einem Tattoostudio eines anderen lediglich einen Platz zum Tätowieren überlassen. Meistens ist dieser Platz auch komplett mit Equipment ausgestattet. Der Tätowierer „mietet“ also anders als unter 1. beschrieben nicht die Geschäftsräume, sondern seinen Arbeitsplatz. Es wird also ein spezifischer Nutzungszweck vereinbart, sodass die obigen Ausführungen Mietverträgen mit spezifischer Nutzungsbestimmung auch hier gelten: In diesem Fall wird die Nutzung aufgrund der angeordneten Schließung, die keine Partei zu vertreten hat, unmöglich. Gem. § 326 Abs. 1 BGB entfällt der Anspruch auf Gegenleistung (also auf Eure Mietzahlung).
Zusammengefasst
Wurde eine Stuhlmiete vereinbart, so hat der Tätowierer de iure keine Studiomiete zu bezahlen. Auch dies könnte aber in dem jeweiligen Stuhlmietvertrag anders geregelt sein.
Der Mythos des § 1104 ABGB
Als die Ausmaße der Pandemie immer bekannter wurden, wurde der § 1104 des österreichischen ABGB auch immer bekannter. Viele teilten einen Zeitungsschnipsel, der so hoffnungsvoll lautet: „Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Mißwachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet, doch ist auch kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten.“ Die Idee dahinter: Durch Corona muss ich keine Miete zahlen!
Doch bevor jetzt Hoffnungen erwachsen und erstarken: Es handelt sich bei § 1104 BGB – wie gesagt – um eine Rechtsnorm aus Österreich. Dieser ist in Deutschland nicht anwendbar und einen vergleichbaren Paragraphen kennt das Deutsche BGB nicht.
Der Kündigungsschutz
„Mieterinnen und Mieter von Wohn- und Gewerbeimmobilien werden vor Kündigungen geschützt“
Wie viele von euch durch die Medien mitbekommen haben werden, hat das Bundeskabinett eine Formulierungshilfe des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz auch Erleichterungen für Mieterinnen und Mieter, die infolge der Pandemie aktuell nicht ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen können, beschlossen.
Für Mietverhältnisse soll das Recht der Vermieter zur Kündigung von Mietverhältnissen eingeschränkt werden. Dies gilt sowohl für Wohn- als auch für Gewerberaummietverträge. Wegen Mietschulden aus dem Zeitraum zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen, sofern die Mietschulden auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen. Die Verpflichtung der Mieter zur fristgerechten Zahlung der Miete bleibt hier jedoch bestehen. Dies gilt für Pachtverhältnisse entsprechend. Die Regelungen gelten zunächst bis zum 30. Juni 2020 und können unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden.
Für weitere Informationen dazu, schaut auf die Seite des BJMV, wo ihr auch ein ausführliches FAQ findet:
https://www.bmjv.de/DE/Themen/FokusThemen/Corona/Miete/Corona_Miete_node.html
Hinweise für die Praxis
„Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden“
Auch wenn es für viele schwierig ist, über seine finanzielle (Miss-)Lage zusprechen, jetzt ist es der richtige Zeitpunkt!
Entscheidet bitte nicht im Alleingang, ob ihr Miete zahlen wollt oder nicht und denkt an die Konsequenzen! Setzt euch also bitte mit eurem Vertragspartner zusammen und besprecht die Situation. Legt dar, was ihr noch leisten könnte oder wollt und findet einen Kompromiss. Beispielsweise kommen einvernehmliche Mietreduzierungen oder auch Stundungsvereinbarungen in Betracht.
Denkt bitte daran: euer Gegenüber befindet sich gerade jetzt auch in einer schwierigen Zeit, weiß nicht, wie es weitergehen soll und verlässt sich auf euch. Gerade Tätowierer, die eine Stuhlmiete mit dem Studioinhaber vereinbart haben, sollten sich darüber im Klaren sein, dass man auch nach Corona noch zusammenarbeiten möchte und es dann die falsche Signalwirkung hätte, nichts von sich hören zu lassen.
Und beachtet ferner auch, dass es sich bei Mietrecht um teilweise sehr komplexe Materien handelt, die als Laie kaum eindeutig zu beantworten sind. Auch ist für die Rechtsprechung und die Literatur der Umgang mit einer solchen Krise neu und überraschend, sodass 100%ig sichere Aussagen zu so mancher Mietrechtsfrage auch noch gar nicht getroffen werden können.
Und genau deswegen möchtet wir euch dazu ermutigen, euch mit eurem Vermieter auszutauschen! Es hat sich gerade jetzt gezeigt, dass die Kompromissbereitschaft eine sehr hohe ist.
Wir wünschen euch dabei viel Erfolg!
[1] Quelle: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/corona-krise-laeden-geschlossen-zahlung-miete-gewerbliche-mieter/
[2] Staudinger/Rolfs, 2018, Rn. 29 f.