Die Bundesregierung hat gestern mit allen Ministerpräsidenten der Bundesländer die vorgeschlagenen Maßnahmen einstimmig beschlossen. Eine der Maßnahmen beschließt, wie Ihr sicher bereits mitbekommen habt, die Schließung von Tattoo- und Piercingstudios.

Hier könnt Ihr Euch den entsprechenden Beschluss herunterladen.

Die Bundesländer werden nun auf dieser Grundlage entsprechende Verordnungung erlassen bzw. bestehende Verordnungen bis zum 2.11.2020 überarbeiten. Damit wir den Entscheidungsprozess der jeweiligen Landesminister zumindest versuchen mit sachlichen Argumenten in unserem Interesse zu beeinflussen, haben wir bereits gestern Abend unsere Stellungnahme an unseren Bundesminister für Gesundheit und alle 16 Landesminister persönlich adressiert versandt.

Unsere Stellungnahme könnt Ihr Euch hier herunterladen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister Jens Spahn.

Nach aktuellen Verlautbarungen der Bundesregierung wurde erneut die Empfehlung an die Bundesländer zur Schließung der Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege ausgesprochen. Tattoostudios werden explizit genannt und wir gehen davon aus, dass Piercing-Studios unter „ähnliche Betriebe“ zu subsumieren sind.

Wir, der Bundesverband Tattoo e.V. und die Deutsche Gesellschaft für Piercing, haben in den vergangenen Monaten aufgrund der Einschränkungen des Wirtschaftslebens eine extreme Erosion unseres Wirtschaftszweiges wahrgenommen. So haben wir in diesem Jahr bereits sehr viele Marktteilnehmer in unserem Wirtschaftszweig vernommen, die Ihre Unternehmen schließen mussten und Ihre Existenz am Markt aufgeben mussten. Die wirtschaftlichen Herausforderungen, die aus dem vergangenen Lock-Down und der Covid-19 Pandemie allgemein resultierten waren verheerend.

Wir sind uns vollumfänglich des Umstandes bewusst, dass unsere Branche damit nicht alleinsteht und wir stellen auch die Notwendigkeit der bevorstehenden Regelungen nicht in Abrede.

Aufgrund des Umstandes, dass in den kommenden Tagen weitreichende politische Entscheidungen darüber anstehen, ob und ggf. in welcher Reichweite Wirtschaftsunternehmen ihren Betrieb niederlegen müssen, möchten wir verhindern, dass in diesem Zusammenhang unsere Branche unter der Vielzahl der zu berücksichtigenden Unternehmenszweige aus dem Blick gerät.

Nach unserem Dafürhalten spricht sehr viel dafür, Tattoo- sowie Piercingstudios unter gewissen, bereits auferlegten und ausgeführten Auflagen, ihre Tätigkeit weiterhin zu ermöglichen.
Wir möchten dringend erneut gegen eine Schließung von Tattoo- sowie Piercingstudios Stellung beziehen und bitten sie folgende Argumente in Ihre Erwägungen einzubeziehen:

1. Eine nachteilige Behandlung von Tattoostudios gegenüber Einzelhandelsgeschäften oder Dienstleistern anderer Art erfolgte ohne sachliche Rechtfertigung und damit unter Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Kaum eine andere Branche außerhalb des medizinischen Bereichs verfügt über eine berufsbedingt ähnliche Expertise und Ausübungspraxis im Bereich des Infektionsschutzes. Es wäre nachgerade paradox, ausgerechnet einer Branche, deren tägliches Wirken auf die Verhinderung von Krankheitsübertragungen gerichtet ist, die Ausübung ihrer Tätigkeiten zu unterbinden.

2. Ein Tattoo- oder Piercingstudio wird grundsätzlich ohnehin auf eine Art und Weise betrieben, welche in einem sehr weitreichenden Maße Infektionen mit einer jedweden übertragbaren Krankheit verhindert. Arbeitshypothese eines jeden Tätowierers/ Piercers ist es ohnehin immer, zu unterstellen, dass der jeweilige Kunde Keimträger einer Infektionskrankheit ist. Gleichermaßen gilt dies für den jeweiligen Werkschaffenden selbst. Insoweit sind Krankheitsübertragungen und Kreuzkontaminationen in einem Tattoo- respektive Piercingstudio weitestgehend ausgeschlossen. Dies unterscheidet Tattoo- und Piercingstudios beispielsweise von Frisörgeschäften.

3. Als flankierende Maßnahmen im Sinne eines zusätzlichen Infektionsschutzes könnten Tätowierer/innen beziehungsweise Piercer/innen und Kunden weiterhin per Auflage (weiterhin) angehalten werden, nachfolgende Anweisungen zu befolgen:
a. Während des gesamten Aufenthalts sind FFP2-Schutzmaske zu tragen. Es gilt derzeitig als weitgehend gesichert, dass das Tragen derartiger Masken eine Infektion des Gegenübers effektiv verhindert. Tragen Werkschaffende/r und Kunde beide entsprechende Masken, ist einer Ansteckung in beide Richtungen vorgebeugt.
b. Der Kundenkontakt ist auf das bloße Tätowieren/ Piercen zu reduzieren. Beratungsgespräche, Terminabsprachen etc. setzen nicht zwingend ein körperliches Zusammentreffen der betreffenden Personen voraus und könnten telefonisch oder durch die Verwendung anderer Medien durchgeführt werden.
c. Begleitpersonen des Kunden ist der Zutritt zu dem jeweiligen Ladengeschäft untersagt. So wird sichergestellt, sodass sich nur der Kunde sowie der behandelnde Dienstleister zusammen in den Räumlichkeiten aufhalten.
d. Die Personenanzahl der zu behandelnder Kunden wird mit einer Obergrenze versehen. Insbesondere in Tattoostudios wird oftmals lediglich ein Kunde pro Tag behandelt. Es handelt sich eben um kein „Durchgangsgeschäft“ wie bei anderen Dienstleistern oder Betrieben. Denkbar wären hier maximal 2 Kunden pro Tag in Tattoostudios und max. 10 Kunden pro Tag in Piercingstudios.
e. Mehrere Arbeitsplätze eines Studios sind mit einem Mindestabstand von 2,5 Metern einzurichten. Wo dies nicht möglich ist, ist eine gleichzeitige Nutzung mehrerer Arbeitsplätze zu unterbinden. Auch eine entsprechende Terminierung, dass immer nur ein Dienstleister und nur ein Kunde die Räumlichkeiten nutzen, wäre eine Möglichkeit, um das Zusammenkommen mehrerer Menschen zu verhindern.
f. Die maximale Behandlungsdauer wird festgelegt. Infolge des Umstandes, dass gerade die Durchführung einer Tätowierung auch für das Immunsystem des Kunden eine gewisse Belastung darstellt, wäre es zu erwägen, die maximale Dauer einer Behandlung zeitlich zu limitieren – beispielsweise auf maximal 4 Stunden. Das Piercen stellt indes eine geringere Belastung für den Körper dar und ist in der Regel binnen weniger Minuten durchgeführt.

4. Nicht zuletzt möchten wir nicht unerwähnt lassen, dass es sich bei Menschen, die sich tätowieren oder piercen lassen möchten, um eine weitaus geringere Anzahl handelt als solche, die sich beim Frisör, Physiotherapeuten, Kosmetiker oder ähnlichen Einrichtungen behandeln lassen. Zumindest dieser geringen Anzahl an Personen sollte es möglich sein, ihrem Recht nach einer selbstbestimmten Körpermodifizierung nachgehen zu dürfen. Auch der allgemeinen Stimmung innerhalb der BRD könnte die Entscheidung, Tattoo- und Piercingstudios weiterhin geöffnet zu lassen, zuträglich sein.

Wir bitten höflichst darum, diese obigen Erwägungen bei der nächsten Anpassung der SARS-CoV-2 Eindämmungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Es wäre ein jedes einzelne Unternehmen und ein jedes einzelne Mitglied unserer Branche beklagenswert, welches diese kulturschaffende, kreative und nicht zuletzt auch für das Wirtschaftsleben und den Fiskus förderliche Tätigkeit nicht mehr aufnehmen könnte, weil ihm der wirtschaftliche Atem infolge einer erneuten Tätigkeitsuntersagung ausgegangen wäre.

Von dem ersten Lockdown erholen sich die Betriebe erst seit Kurzem, einige haben noch stark mit den wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen.

Wir stehen Ihnen jederzeit gern zur Erörterung und Ausarbeitung notwendiger Maßnahmen zur Verfügung.