Nachdem nun mehr die Schließung aller Tattoostudios in sämtlichen Bundesländern angeordnet wurde, erhebt sich die Frage nach einer möglichen Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (kurz IfSG).
Wir haben uns mit allen Bundesländern und den jeweils zuständigen Behörden in Kontakt gesetzt und geben nun die uns überlassenen Informationen in Bezug auf mögliche Entschädigungen nach § 56 IfSG weiter.
Eins vorweg: Die weiteren Abhandlungen beziehen sich ausdrücklich nicht auf Soforthilfen oder anderen Förderungsmaßnahmen! Also bitte keine Panik, sollte § 56 IfSG in Eurem konkreten Fall nicht greifen. Die Bundesregierung und -länder haben an vielversprechenden Alternativen gearbeitet.
Wann Entschädigungen i.S.d. § 56 IfSG möglich sein könnten, erläutern wir im Folgenden.[1] Grundsätzlich sind drei Fallkonstellationen, die zu einer Schließung des Betriebes führen, denkbar:
Vom Gesundheitsamt nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG), §§ 30, 31, 42 IfSG, angeordnete Quarantäne/Absonderung bzw. Tätigkeits- und Beschäftigungsverbote
Ersatzleistungen bzw. Entschädigungsleistungen für Arbeitnehmer/innen, Selbstständige und Freiberufler können sich aus einer angeordneten Quarantäne oder Absonderung nach § 30 IfSG, einer Anordnung eines Tätigkeitsverbots nach § 31 IfSG sowie einer Anordnung eines Tätigkeits- und Beschäftigungsverbote nach § 42 IfSG für Beschäftigte im Bereich des Lebensmittelhandels bzw. in Küchen von Gaststätten und Kantinen ergeben.
Anordnung der Quarantäne/Absonderung nach § 30 IfSG
Allerdings muss die Quarantäne/Absonderung offiziell auf der Anordnung des Gesundheitsamts beruhen. In der Regel zahlt dann der Arbeitgeber den Lohn für längstens sechs Wochen weiter (s. § 56 Abs. 5 IfSG). Dieser wiederum kann sich den Lohn vom Staat zurückerstatten lassen. Auch Freiberufler und Selbstständige erhalten in diesen Fällen einen Verdienstausfall.
Anordnung eines Tätigkeitsverbots nach § 31 IfSG
Wird ein Tätigkeitsverbot offiziell vom Gesundheitsamt angeordnet, so gelten die Ausführungen wie unter 1.) entsprechend.
Anordnung eines Tätigkeits- und Beschäftigungsverbote nach § 42 IfSG für Beschäftigte im Bereich des Lebensmittelhandels bzw. in Küchen von Gaststätten und Kantinen
Wird das Tätigkeits- und Beschäftigungsverbot offiziell vom Gesundheitsamt angeordnet, so gelten die Ausführungen wie unter 1.) entsprechend.
Kurz zusammengefasst: Es muss sich dabei um eine offizielle Quarantäne bzw. Absonderung oder um ein Tätigkeitverbot durch Anordnung des Gesundheitsamtes handeln (und nicht durch eine Allgemeinverfügung des Landes)!
Freiwillige Quarantäne (nicht behördlich vom Gesundheitsamt angeordnet)
Für Personen, die sich in einem vom Robert Koch Institut erklärten Risikogebiet aufgehalten haben und keine Krankheitssymptome aufweisen, die aber nach ihrer Rückkehr freiwillig, z. B. aufgrund einer Empfehlung, zunächst nicht wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren (meist 14 Tage) bzw. ihre selbständige Tätigkeit nicht unmittelbar wiederaufnehmen, sondern zu Hause bleiben, bestehen gegenüber dem Staat – wie oben unter I. 1.) beschrieben – leider keine Ansprüche nach § 56 Infektionsschutzgesetz auf entsprechende Ersatzleistungen/Entschädigungsleistungen.
Bei Arbeitnehmern/innen dürfte auch ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nicht bestehen, da im Regelfall keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Für Arbeitnehmer/innen kommen in dieser Fallkonstellation allerdings möglicherweise tarifvertragliche bzw. betriebliche Regelungen für besondere Fälle der Abwesenheit vom Arbeitsplatz in Betracht und zur Anwendung. Dies ist mit dem jeweiligen Arbeitgeber im Einzelfall abzuklären.
Für Selbstständige/Freiberufler kommen in dieser Fallkonstellation ebenfalls keine Ersatzleistungen/Entschädigungsleistungen nach § 56 IfSG in Betracht.
Kurz zusammengefasst: Keine Entschädigung bei freiwilliger Quarantäne!
Behördliche Anordnungen (im Regelfall durch die Ordnungsbehörden der Städte und Landkreise) zur Schließung bestimmter Betriebe (wie Gaststätten) oder der Untersagung bestimmter selbstständiger/freiberuflicher Tätigkeiten als präventive Maßnahme nach § 16 Infektionsschutzgesetz zur Vermeidung erhöhter Infektionsrisiken
Im Hinblick auf Entschädigungen für Betriebsschließungen, Veranstaltungsverbote u. ä. aufgrund behördlicher Anordnung, aber ohne unmittelbare infektionsrechtliche Gründe, ist der Wortlaut des IfSG eigentlich eindeutig: man erhält nur dann eine Entschädigung, sofern man die unter I. aufgeführten Voraussetzungen erfüllt (angeordnete Quarantäne bzw. Absonderung oder Tätigkeitsverbot). Eine Entschädigung nach § 56 IfSG greift also lediglich bei Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten nach Maßgabe der §§ 16,17 IfSG.
Die Schließungen der Studios werden allerdings durch § 28 Abs. 1 IfSG getroffen, da es sich um eine Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, also einer allgemeinen präventiven Maßnahme und nicht um eine konkrete Gefahr im Sinne des § 56 IfSG, handelt.
Die zuständigen Landesbehörden vertreten derzeit einhellig die Auffassung, dass auf Grundlage des § 56 IfSG in diesen Fällen kein Anspruch auf Entschädigung besteht.
Auch die Entschädigungsregelung nach § 65 Abs. 1, Abs. 4 IfSG greift durch ihren engen Wortlaut als auch aus systematischen und entstehungsgeschichtlichen Gründen ebenso wenig.
Kurz zusammengefasst: Die meisten Tattoostudios haben aufgrund der verschärften Allgemeinverfügung auf der Grundlage von §§ 32, 28 Abs. 1S. 1 und 2 IfSG in Verbindung mit § 54 IfSG geschlossen und werden daher keinen Anspruch auf eine Entschädigung nach §§ 56, 65 IfSG geltend machen können.
Sofern jedoch eine unter I. aufgeführte Anordnung zur Absonderung oder Quarantäne besteht, müssen Anträge auf Entschädigung schriftlich innerhalb von drei Monaten nach Ende der Quarantäne bei der zuständigen Behörden gestellt werden, damit eine Entschädigung ausbezahlt werden kann.
Fazit
„Keine Entschädigung, aber auch keine Panik!“
Es mag auf den ersten Blick verwunderlich sein, dass es sich bei den Schließungen der Tattoostudios zwar um eine Maßnahme des IfSG handelt, die Entschädigungsregelungen aber nicht greifen.
Doch wie eingangs schon gesagt: Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung! Sofern man die Voraussetzungen der §§56, 65 IfSG nicht erfüllt, kann auf andere Hilfsangebote zurückgegriffen werden.
Von Seiten des Bundes und auch der Länder sind Sofortprogramme zur finanziellen Unterstützung für von solchen Anordnungen bzw. Maßnahmen betroffene Betriebe/Freiberufler/Selbstständige angekündigt und mittlerweile auch ausgestaltet worden. Sowohl die Bundesregierung als auch die Länder verweisen insofern auf Unterstützungs- und Hilfsprogramme für die Wirtschaft.
Ferner empfiehlt es sich, Kontakt mit der jeweiligen berufsständischen Organisation, wie Industrie- und Handelskammer oder (in wenigen Fällen) Handwerkskammer, aufzunehmen.
Hinweise bzw. weiterführende Links in Bezug auf Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz für die jeweiligen Bundesländern findet ihr hier:
Baden-Württemberg:
Bayern:
http://www.freistaat.bayern/dokumente/leistung/668069451898
https://www.stmwi.bayern.de/coronavirus/
Berlin:
https://www.berlin.de/sen/finanzen/presse/nachrichten/artikel.908216.php
Brandenburg:
https://lavg.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.661750.de
Bremen:
https://www.bremen-innovativ.de/corona-info-ticker-fuer-unternehmen/
Hamburg:
https://www.hamburg.de/coronavirus/13736910/entschaedigung-paragraf-56-infektionschutzgesetz/
Hessen:
https://service.hessen.de/html/Infektionsschutz-Entschaedigung-bei-Taetigkeitsverbot-7023.htm
Mecklenburg-Vorpommern:
https://www.lagus.mv-regierung.de/Soziales/Soziales_Entschaedigungsrecht/
Niedersachsen:
https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/hinweise-fur-berufstatige-185673.html
Nordrhein-Westfalen:
Rheinland-Pfalz:
Saarland:
https://www.saarland.de/221386.htm
Sachsen:
https://www.lds.sachsen.de/soziales/?ID=15508&art_param=854
Sachsen-Anhalt:
Schleswig-Holstein:
Thüringen:
Fußnoten:
[1] Informationen zu Ersatzleistungen/Entschädigungen/ Hilfeleistungen für betroffene Personen, Betriebe und Selbstständige (www.corona.rlp.de); https://service.hessen.de/html/Infektionsschutz-Entschaedigung-bei-Taetigkeitsverbot-7007.htm; Schmitz/Neubert, Entschädigungen für Betriebsschließungen (https://www.noerr.com/de/newsroom/news/entschadigungen-fur-betriebsschliessungen-nach-aktueller-rechtslage-unwahrscheinlich).