- 30. Mai 2024
- Lesedauer: 4 min
Pressemitteilung/Stellungnahme zur Berichterstattung über die „Schweden-Studie"
Tattoos und Krebs: Was steckt wirklich hinter den Schlagzeilen?Neue Studie sorgt für Aufsehen – doch ein klarer Zusammenhang ist nicht bewiesen.
In den letzten Tagen kursieren Schlagzeilen, die den Leser*innen suggerieren, dass Tattoos Krebs verursachen, wie z.B. die Bild-Zeitung titelt: „Studie: Tätowierungen erhöhen Krebsrisiko um ein Fünftel“, NTV formuliert es besonnener: „Studie untersucht Zusammenhang: Tattoos könnten Krebsrisiko deutlich erhöhen“. Das führt zu großer Verunsicherung sowohl unter Tattoointeressierten als auch unter den Tätowierenden.
1. Worum geht es in der Studie:
Es wurde das Risiko für maligne Lymphome (=verschiedene bösartige krankhafte Veränderungen des Lymphsystems) bei tätowierten Personen untersucht, um zu sehen, ob es möglicherweise eine Kausalbeziehung geben könnte. Mit dem Hauptresultat, dass eventuell in dem Zeitraum bis zu 2 Jahre nach einer ersten Tätowierung ein 21% erhöhtes Lymphomrisiko in der Gruppe der 20-60 -jährigen besteht. Besonders betroffen waren diffuse großzellige B-Zell-Lymphome und follikuläre Lymphome.
2. Korrelation versus Kausalität:
3. Einige der Unsicherheiten in der „Schweden-Studie“:
- Kurzfristige Exposition:
Ein erhöhtes Risiko wurde nur für den Zeitraum innerhalb der ersten 0–2 Jahre nach dem ersten Tattoo festgestellt, nicht jedoch bei mehreren oder größeren Tattoos. Dies widerspricht der Erwartung, dass sich das Risiko mit jedem neuen Tattoo summiert. Theoretisch müsste sich das Risiko für jedes neue Tattoo wiederholen, also aufkumulieren. Das ist nicht der Fall.
- Unzureichende Angaben:
Aussagen zur Farbe oder Fläche der Tattoos sind nicht valide, da diese im Fragebogen nicht ausreichend spezifiziert wurden. Eine genauere Analyse wäre möglich gewesen, wenn nur Personen mit einem Tattoo betrachtet worden wären, da nur für diese die 0-2 Jahre tatsächlich bestimmbar sind.
- Zeitliche Diskrepanz:
Da das Lymphomrisiko laut der Studie direkt nach dem Tätowieren am höchsten ist (im Gegensatz zu den meisten Krebsrisikofaktoren, bei welchen man Jahre lang warten muss), müsste sich das Ergebnis auch in einem der Lymphoma-Neuerkrankungen in den letzten 10–15 Jahren in Schweden niederschlagen. Das tut es aber nicht. Das bedeutet: Wären die Studienergebnisse zutreffend, hätte in den letzten ca. 15 Jahren parallel mit dem Anstieg der Neu-Tätowierten ein sehr starker Anstieg der jährlichen Lymphomneuerkrankungen in Schweden stattgefunden haben müssen. Das ist aber nicht der Fall.
- Selektionsverzerrung (Selection Bias):
Die Antwortrate war bei den Lymphomfällen höher als bei den Kontrollen, genauso auch die Tattooprävalenz. Das weist darauf hin, dass selektiv mehr tätowierte Lymphomapatienten geantwortet haben könnten.
- Tattooentfernung:
Innerhalb der Tätowierten ist insbesondere der Effekt von Tattooentfernungen sehr stark (ca. 3-fach erhöhtes Lymphoma-Risiko). Leider wurde Tattooentfernung nicht mit in die Hauptanalyse eingeschlossen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in diesem Fall die anderen Effekte verschwinden würden. Meiner Meinung nach müsste man diejenigen, welche eine Tattooentfernung hatten, systematisch von der Hauptanalyse ausschließen.
- Unzureichende Kontrolle von Störfaktoren Confounder):
Die Analyse ist unzureichend adjustiert, d.h. dass nicht alle potentiell einflussreichen Faktoren in die Analyse eingegangen sind. (Sieht man auch daran, dass im fully adjusted model die Koeffizienten fast gleich sind wie bei basic adjustment). Es fehlen zumindest HIV/Hepatitis und andere Infektionskrankheiten sowie der BMI.
4. Unsere Position

Mit freundlichen Grüßen,
Stefanie Lamm und Urban Slamal aus dem Vorstand des Bundesverband Tattoo e.V.
Das Netzwerk des Bundesverband Tattoo e.V.:
ESTP: European Society on Tattoo & Pigment Research https://estp-research.org/
BfR: Bundesinstitut für Risikobewertung https://www.bfr.bund.de/de/start.html
IARC/WHO: International Agency for Research and Cancer https://www.iarc.who.int/
IVDK: Informationsverbund Dermatologischer Kliniken https://www.ivdk.org/de/
Doc Tattooentfernung https://doc-tattooentfernung.com/
Sicherheit statt Panik.